Ronja Räubertochter

Heitere Mittagsunterhaltung

Es herrscht heilloses Chaos:
Herr Teichmann, Frau Rößler und Frau Heißner sind aufgeregt.
Frau Fritzsche ist völlig aufgelöst und dabei hat es noch nicht mal angefangen!
Fotograf Haubeiß betritt irritiert die Bühne und irritiert damit alle Anderen.
Die Inszenierung ist in abwechselnde Auftritte der Schauspieler, Orchester-, Tanz- und Gesangseinlagen zerhackstückelt.
Sehr unauffällig wird backstage ein Kind geboren……….
Der erste Tanz ist eher eine Art Freestyle-Ganzkörper-Schütteln, der zweite wird von verstaubten aber dafür tanzenden Gespenstern vorgeführt.
Das Orchester liefert eine gute musikalische Leistung und weiter gehts mit Hexen die (eventuell unter Einfluss von LSD) eine Art Wiener-Hexen-Walzer vorführen der aber letztendlich sehr gelungen ist.
In der folgenden Szene kommt es seitens zweier Baumkinder (die Hauptrollen übrigens) zum heiteren Springen über den „Höllenschlund“, dabei gelingt es dem männlichen Baumkind in den Abgrund zu fallen und sich (tragischerweise) festzuhalten.
Natürlich wird das Baumkind vom anderen gerettet allerdings ohne dass einer seinen Namen tanzt!
Nach einem 30 Sekunden-Auftritt des Chors zeigt sich, dass Frau Fritzsche sich gerne mal in Hitchcockmanier ins eigene Stück einbaut in dem sie dem Publikum vortäuscht eine der Schauspielerinnen hätte ihren Einsatz verpasst, nur um aus dem Off die bedeutsamen Worte “Lisa, Lisa, Lisa“ zu rufen.
Danach treten die Rumpelwichte auf denen ich sofort den Oscar für die beste Nebenrolle verliehen hätte wenn ich denn könnte.
Tatsächlich überrascht uns das Stück statt mit einer Kussszene mit überfamiliärer Geschwisterliebe.
In einer dramatischen Szene löst sich Ronja (die weibliche Hauptrolle) von ihrem Vater, da er ihren selbsterklärten „Bruder“ (dazu gleich mehr) in Gefangenschaft genommen hat.
In einer weiteren Schlüsselszene begibt sich Ronja in die Gefangenschaft der Bande des Vaters von Birk (männliche Hauptrolle) um einen Gefangenenaustausch zu erzwingen, daraufhin erklärt ihr Vater er habe keine Tochter.
Inmitten dieser Szenerie fällt ein Satz, der fast untergeht aber für die Interpretation des Stückes umso wichtiger ist.
Während nämlich Ronja als Kommentar für die freiwillige Gefangennahme der eigenen Familie entgegen ruft:
“Wir sind Geschwister!“ erwidert ihre Mutter (leider ging das wie schon gesagt unter):
„Man weiß ja, was daraus wird.“.
Dieser Wink mit dem Zaunpfahl lässt viele Deutungen zu, was Astrid Lindgren damit sagen wollte, wird wohl nie wirklich eindeutig erklärbar sein.
Im Finale spielen die Kinder dann Revolution und ziehen aus.
Allerdings kehren sie auf Bitten von Ronjas suizidgefährdetem Vater zurück und es entwickelt sich eine Art Happy End mit Schlagerei um den Chefposten der nun zusammengelegten Banden.
Ob Astrind Lindgren wirklich etwas über revoltierende Kinder und deren suizidgefährdete alkoholisierte Väter erzählen wollte wird wohl nie eindeutig bewiesen werden.

Am Abend gab es dann für die Erwachsenen eine Version mit einer anderen Gewürzmischung zu sehen.
Ob die Mittagsaufführung die Premiere oder die Generalprobe war, lässt sich nicht einwandfrei feststellen, aber es sind zwei interessante Inszenierungen entstanden.
Von denen mir persönlich die Spätvorstellung besser gefallen hat (ich sage das weil es so ist, nicht weil die Abendbesetzung der Hauptrollen in meiner Klasse ist und Frau Fritzsche das auch findet).
Das Orchester verbesserte seinen schon mittags guten Eindruck noch etwas, und obwohl der Ganzkörperschütteltanz immer noch derselbe war, glaubte ich, nun Strukturen zu erkennen.
Die Schauspieler in den -sagen wir mal- Nebenrollen (als Hauptrollen lasse ich jetzt mal nur Birk und Ronja durchgehen) schienen mir an manchen Stellen noch ähnlich verwirrt wie am Mittag.
Auch die verstaubten Gespenster und Wienerwalzerhexen imponierten mir -wie mittags schon- sehr wurden jedoch -so glaube ich- vom Publikum diesmal nicht so positiv aufgenommen.
Die abendlich attraktiv besetzten Hauptrollen machten sich um einiges besser (dies ist eine freiwillige und nicht beleidigen gemeinte Aussage) als die Mittagsbesetzung.
Ronja, bei dieser Aufführung von Maria Ehrich, dargestellt wirkte sicherer in und interessierter an ihrer Rolle und Franziska Kriegsheim gab einen angenehm burschikos femininen Birk (diese Aussage verschafft mir keinerlei Vorteile, jedenfalls nicht, so weit ich weiß).
Es folgten das schon oben ausführlich beschriebene Sprungduell über den „Höllenschlund“ und Frau Rößler die (sicherlich unbeabsichtigt) lauter sang als ihr Chor.
Die Rumpelwichte überzeugten auch diesmal wieder und bekamen zu Recht einige Anerkennung vom Publikum.
Der Vater-Tochter-Konflikt nahm an Dramatik noch etwas zu (das mag daran liegen Maria Ehrich dann doch die schauspielerisch etwas erfahrenere Ronja war).
Nachdem der Teil des Stückes, über den man sich wohl am besten streiten kann, vorgeführt wurde („Man weiß ja, was daraus wird“…), versuchten offensichtlich narzisstische Feen die ausgebrochenen Kinder zu verführen.
Die Revolution der Kinder entwickelte sich zu einer Art heterofamiliärem „Brokeback Mountain“
Nachdem Auftritt von (Suizid-)Matthis (Ronjas Vater)kam es dann wieder zu einem Schattenboxfinale mit Happy End.

Jan Molitor

 









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