Abschied vom Chef

Sehr geehrter Herr Schulleiter,
lieber Herr Jacob!

Heute geschieht etwas, was Ihnen nicht sehr angenehm ist, dennoch ist es unausweichlich: Es dreht sich alles um Sie. Immerhin ist unser letzter Schultag heute auch Ihr letzter Arbeitstag als Lehrer und als Schulleiter. Mit Wehmut, aber auch mit Wohlwollen nehmen wir das zur Kenntnis.
Wir gönnen Ihnen den Ruhestand, denn Sie haben lange Jahre ununterbrochen als Lehrer gewirkt. Seit 1991 sind Sie der Schulleiter unseres Gymnasiums. Für Ihre Schule, das Oskar- Gründler- Gymnasium, haben Sie sich vom ersten Moment an stark engagiert. Als nach der Wende die Möglichkeit bestand, neue Wege auch im Schulwesen zu beschreiten, planten Sie gemeinsam mit Ihren Kollegen die Einrichtung eines Gymnasiums in Gebesee. Bis zur Erfüllung dieses Traumes waren einige Schwierigkeiten zu meistern, galt es, viele Hindernisse zu überwinden.
Ihren Enthusiasmus und die Bereitschaft Ihrer Kollegen, an diesem Ziel festzuhalten und sich dafür einzusetzen, konnten auch Niederlagen nicht beschädigen. 1990 stellte die Schule beim Kultusministerium den Antrag auf Einrichtung eines Gymnasiums, und von da an ging es mit dem Aufbau des Gymnasiums in Gebesee voran.
Für Sie war das Jahr 1991 ein ganz spezielles, denn Sie wurden Schulleiter an Ihrer Schule. Gemeinsam mit 19 Kolleginnen und Kollegen begannen Sie mit dem Aufbau der Schule. Zunächst wurde der Schulbetrieb für die Klassenstufen 5 bis 8 aufgenommen und unsere Schule bekam den Status eines „Gymnasiums im Aufbau“.
Diese aufregende und produktive Zeit bis zur Verabschiedung unserer ersten Abiturienten im Jahre 1996 bedeutet Ihnen bis heute sehr viel. Sie haben viel Kraft investiert, damit nicht nur die Organisation des Schulalltages gesichert war, sondern damit dieser vor allem mit guten Inhalten gefüllt wurde. Deshalb auch gab es viele Diskussionen mit Kollegen, aber auch mit den Eltern unserer Schüler über inhaltliche und methodische Fragen.
Das Kollegium erweiterte sich ebenso wie das Angebot an Fächern und das an Räumlichkeiten. Unsere Schule wurde größer und eine rege Bautätigkeit begann.
Die Schule expandierte und bekam die wieder in ihr angestammtes Domizil umgezogene Kinderkrippe, unser Haus II, zum Haupthaus dazu. Das war 1993. Ein Jahr später wurde mit dem Umbau des Gebäudes der Polytechnik zum heutigen Haus III begonnen. Nachdem dieses wiederum ein Jahr später seiner Bestimmung übergeben worden war, begann die Bauerei am Haus I. Zwar dauerten die Sanierungsarbeiten zwei lange Jahre, aber die neue Form des Daches, die Schaffung moderner Fachräume, die praktische Überdachung der Außentreppe und nicht zuletzt die neue Farbgebung des Hauses lohnten die Mühe. Als dann 1996 der alte hässliche Schornstein gesprengt worden war, sah es um die Schule herum richtig schön grün aus.
Zwar sind nicht alle „Bau-Pläne“ Wirklichkeit geworden – den von Ihnen sehr gewünschten Hörsaal gibt es leider noch nicht, die Mensa lädt nicht gerade zum gemütlichen Verweilen ein- aber bei der Einweihung der neuen Turnhalle vor acht Jahren haben Sie erneut auf ein großes Stück vollbrachte Arbeit stolz sein können.
Wichtiger als die äußeren Veränderungen an der Schule aber war - und ist – deren Ausfüllung mit Inhalten. Dabei war die Frage, ob unser Gymnasium nun eher naturwissenschaftlich- mathematisch oder doch musisch-künstlerisch ausgerichtet werden soll, nur einer der vielen Diskussionspunkte. Die Realität beweist, dass an unserer Schule kein Zweig auf Kosten des anderen existiert. Wir können unsere Schüler vielseitig und ihren Anlagen entsprechend fördern. Sowohl die moderne Ausstattung unserer naturwissenschaftlichen Kabinette als auch die großzügige Förderung von künstlerischen Ambitionen im musischen und im darstellerischen Bereich bestätigen diesen Fakt. Wir haben einen Chor, der von Ihnen großartig unterstützt wird, Sie versäumen kein Konzert unseres Blasorchesters und keine Vorstellung unserer Theatergruppe. Dem Sport wird an unserem Gymnasium große Aufmerksamkeit entgegen gebracht. Sie, lieber Herr Jacob, stehen selbst oft an den Laufstrecken und feuern die Sportler Ihrer Schule kräftig an. Man sieht, die Ausrichtung unseres Gymnasiums ist keinesfalls einseitig!
Das zeigt auch der Name unserer Schule. Nach langer Zeit und vielen Abstimmungen war endlich der passende Name gefunden. Nun sind wir mit hoher Wahrscheinlichkeit das weltweit einzige Oskar- Gründler- Gymnasium und, das ist das Beste daran, wir können uns mit diesem Namen identifizieren.
Lieber Herr Jacob, Sie haben vor wenigen Tagen Ihre letzte Abiturrede gehalten. Unsere Absolventen und deren Gäste haben aufmerksam zugehört und Ihnen lange applaudiert. Der Grund dafür ist ein einfacher: Ihre Worte sprechen die Zuhörer an, weil sie wissen, dass Sie hinter dem stehen, was Sie verkünden.
Ihre Schüler achten Sie wegen Ihres Wissens und wegen Ihres respektvollen Umgangs mit ihnen. Sie wissen, dass sie jederzeit einen aufmerksamen, interessierten, einfühlsamen Zuhörer in Ihnen haben. Sie haben in den verschiedensten Situationen erfahren, dass Sie sie ernst nehmen. Und sie haben erlebt, dass ihnen Verantwortung übertragen und eigenständiges Handeln abverlangt werden.
Die Freiheit, die eigenen Ansichten darzulegen, sie zu vertreten und möglicherweise durchzusetzen, haben wir Lehrer an Ihrer Schule stets gehabt. Immer fanden wir Ihre Unterstützung, wenn es darum ging, etwas Neues auszuprobieren. Aber auch im alltäglichen Schulleben konnten wir Ihres Beistandes allezeit sicher sein.
Es gäbe noch sehr Vieles zu sagen. Lassen Sie uns stattdessen in Ihrem Sinne weiterarbeiten und unsere Schüler zu Menschen ausbilden, die im Kantschen Sinne mutig und denen die Freiheit und die Menschenwürde hohe Güter sind.

Birgit Raida
Gebesee, 24. Juni 2009


Schüler basteln ein Abschiedsgeschenk für Herrn Jacob


Verabschiedung durch die Schüler


Verabschiedung durch das Schulamt


Verabschiedung durch den Landkreis


Im Kollegenkreis des Oskar-Gründler-Gymnasiums

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